DBfK aktuell - Oktober 2024

Verantwortung in Krisensituationen: Kernkompetenzen der Katastrophenpflege

Broschüren Katastrophenpflege
Broschüren Katastrophenpflege

Ein plötzlicher Bombenfund zwingt zur Evakuierung von Anwohner:innen in eine Turnhalle – darunter auch die Bewohner:innen von zwei Pflegeheimen und einige Menschen, die zu Hause gepflegt werden. Was tun wir als Pflegefachpersonen, wenn wir in den Nachrichten hören, dass es um den Stadtteil geht, in dem wir selbst wohnen oder wo wir Menschen mit Pflegebedarf versorgen? 

Wie können wir helfen? Wen können wir darüber informieren, dass alleinlebende Menschen mit Pflegebedarf betroffen sind? Wer übernimmt die pflegerische Versorgung in der Turnhalle?

Das ist nur eines von möglichen Ausnahmeereignissen, um die es in der Katastrophenpflege – dem Disaster Nursing – geht. Das Thema gewinnt auch hierzulande an Bedeutung – beispielsweise wegen zunehmender Extremwetterereignisse. Ein pflegewissenschaftliches Team der Charité Berlin hat deshalb eine konsentierte Übersetzung der „Kernkompetenzen der Katastrophenpflege“ des International Council of Nurses (ICN) erstellt – in enger Zusammenarbeit mit dem DBfK, dem Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) und dem Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK). In zwei Broschüren werden die Kompetenzen definiert, über die Pflegefachpersonen verfügen sollten, um in Ausnahmesituationen handeln zu können. 

Dabei werden drei Kompetenzstufen unterschieden:
1. Stufe I für alle Pflegefachpersonen
2. Stufe II für Katastrophenschutzbeauftragte
3. Stufe III für spezialisierte Katastrophenteams.

Stufe I ist die wichtigste – sie gilt für alle Pflegefachpersonen. Die Botschaft lautet: „Every nurse is a disaster nurse.“ Tatsächlich unterschätzen viele Pflegefachpersonen ihre Rolle in Katastrophenszenarien. Dabei beinhaltet die Pflegeausbildung nach dem Pflegeberufegesetz bereits Grundlagen der Notfall- und Katastrophenpflege. Allerdings wird dabei meist an individuelle Notfälle wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle gedacht und eher selten einem sogenannten All-Gefahren-Ansatz gefolgt. Pflegefachpersonen müssen ihre Kompetenzen aber jederzeit, auch unter extremen Bedingungen und für alle von einer Katastrophe Betroffenen, einsetzen können. Laut der US-amerikanischen Pflegeprofessorin Tener Goodwin Veenema ist das Ziel dabei: „Das Beste für die Meisten zu tun, mit dem Wenigsten und durch die Wenigsten.“ In der ersten Stufe geht es also nicht um Spezialisierung, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen und sich für Ausnahmesituationen zu rüsten.

Die beiden deutschsprachigen Broschüren „Kernkompetenzen in der Katastrophenpflege – Version 2.0“ und „Kernkompetenzen in der Katastrophenpflege – Kompetenzen für Pflegefachpersonen in Medizinischen Notfallteams (Stufe III)“ sollen für das Thema sensibilisieren und Pflegefachper-sonen motivieren, in Katastrophen Verantwortung zu übernehmen. Zudem sollen sie die Entwicklung von Aus- und Weiterbildungsangeboten unterstützen und dazu ermutigen, die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erweitern. 

Die Veröffentlichung ist aber auch ein Appell an politisch Verantwortliche, die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen beim gesundheitlichen Bevölkerungsschutz nicht zu vergessen. „Pflege hat ein immenses Potenzial, das in Katastrophenfällen oft noch ungenutzt bleibt. In Deutschland fehlt die systematische Einbindung von Pflegefachpersonen in den Bevölkerungsschutz. Das zeigt sich auch daran, dass Pflegefachpersonen noch selten als Teil des professionellen Hilfenetzwerks für Katastrophenfälle gesehen werden“, so Prof. Michael Ewers, Direktor des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité Berlin. „In den USA würde in zentralen Sammelunterkünften im Katastrophenfall vielfach eine Nurse am Eingang stehen, um den Hilfebedarf der dort Eintreffenden zu erfassen, sei es der Diabetiker, der ohne Insulin evakuiert wurde, oder die Dame mit Demenz, die aus dem Pflegeheim kommt. Pflegefachpersonen können den Menschen in solchen Ausnahmesituationen Sicherheit vermitteln, ihren Bedarf beurteilen und eine professionelle Versorgung leisten.“

(AKH)

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